Mensch und Tier

© 2021 Friedrich Haugg

''Wir werden in Ewigkeiten nicht mehr gut machen können, was wir den Tieren angetan haben.'' (Mark Twain)

Von den schrecklichen Exzessen in unserem Umgang mit sogenannten Nutztieren will ich hier nichts schreiben, so lange ich Schnitzel, Leberwurst und Brathühner plastikverpackt beim Lidl und Aldi kaufe und - ja, leider - geniesse. Die Diskrepanz ist mir bewusst und so lange ich keine schlüssige Haltung habe, schweige ich lieber.

Einiges muss aber festgestellt werden: Die Evolution hat Wesen hervorgebracht, die andere Wesen zum Zwecke des Protein- und Fettnachschubs töten und verspeisen. Das kann man der Evolution nur vorwerfen, wenn sie von einem lieben Gott erfunden wurde.

Der Mensch tut nichts anderes. Seine Fähigkeiten haben die Nutzbarmachung industrialisert. Aufgrund der Masse an Menschen wurde das auch notwendig.

''Wachset und mehret euch und machet euch die Erde untertan'', kann jedoch nicht von Gott kommen. Sorry, aber der uns vermittelte, unendlich weise Gott kann diesen Auftrag nicht so kurzsichtig erteilt haben, wo er doch wissen musste, dass seine Geschöpfe nicht in der Lage sein werden, die ganzen Zusammenhänge zu erkennen. Das Vermehren und untertan machen, haben die Menschen schnell begriffen. Augenblicklich dämmert ihnen nur, dass es so nicht weiter geht.

Untersuchen wir unser Verhältnis am Beispiel des Hundes.

Warum der Hund? Nun, in unserem Kulturkreis essen wir den nicht und er ist ein langjähriger Gefährte in unmittelbarer Nähe. Er ist damit hervorragend für genaue Beobachtungen geeignet.

Wir fast alle machen dabei fast alles falsch.

Immer schwingt bei uns das Gefühl mit, wir müssten der Chef sein. Das ist nicht ganz verkehrt. Denn, um seine Hunde zu schützen und um sich selbst den Alltag etwas leichter zu gestalten, sollten sie gehorchen. Gehorchen, im Sinne von herkommen, wenn es nötig ist und die Klappe halten, wenn es erwünscht ist.

Sie können einen Hund konditionieren, das liegt in seinem Wesen. Das können sie so weit treiben, dass er von einem Roboter nicht mehr zu unterscheiden ist. Wenn Sie das wollen, kaufen sie sich besser einen Roboter. Der schmutzt nämlich nicht. Und man kann ihn in einen Ruhezustand versetzen, der ihm wirklich nichts ausmacht.

Wenn sie aber einen Hund wollen, der ein Partner ist, an dem Sie sich erfreuen können, der gute oder auch lustige Einfälle hat und der sich als tatsächlich echter Freund erweist, sollten Sie ein paar wesentliche Zusammenhänge verstehen. Hier meine Ratschläge:

1. Haben Sie Respekt

Der erste und größte Irrtum im Zusammenleben ist, dass sie den Hund an Ihren, menschlichen Maßstäben messen. Er kann nichts bauen, kein Geld verdienen, nichts einkaufen, nicht sauber machen. Aus dem allen schließen Sie, dass er ein untergeordnetes Wesen ist. Falsch.

Hunde und ihre Vorfahren leben schon länger auf der Erde und das sehr erfolgreich. Sie zerstören niemals ihren Lebensraum.

Sehen wir uns einmal an, wie der Hund Sie sieht: Mein Mensch kann Gewalt ausüben, also bin ich lieber vorsichtig. Als Rudelführer ist er nicht besonders geeignet. Dazu fehlen ihm ein paar wesentliche Dinge: Er führt mich eher selten dahin, wo es Beute gibt, er verteidigt uns höchst eigenartig. Statt den Gegner zu verjagen, schimpft er uns, wenn wir die Verteidigung notgedrungen übernehmen wollen. Er wittert keine Gefahr oder sieht dauernd Gefahr, wo keine ist. Er hört nicht gut, sieht nicht besonders und Gerüche scheint er gar nicht zu erkennen. Seine Fortbewegung ist geradezu lächerlich. Er hat aber auch ein paar Vorteile: Ich bekomme zu essen, habe einen guten Schlafplatz, der Körperkontakt ist mangelhaft, aber ganz angenehm. Und das mit dem Auto ist merkwürdig, aber wenn wir aussteigen, sind wir oft an ganz anderen, durchaus interessanten Orten.

Das Resummee des Hundes: Der Mensch ist zwar weit von unserer Perfektion entfernt, aber im Rudel ganz brauchbar. Im Großen und Ganzen, ich mag ihn.

(Gut, dass der Hund nicht weiß, wie es dazu kam, dass er in genau diesem Rudel lebt.)

Resultat: Die gegenseitige Einschätzung ist sehr verschieden. Wenn Sie nun meinen, egal, ich bin der Chef, so handeln Sie so, aber bedenken immer, dass Ihr Bild vom untergeordneten Wesen Ihrer subjektiven Wertetabelle entspringt.


2. Seien sie absolut zuverlässig

Hunde im Rudel sind für die anderen immer berechenbar. Nichts schlimmer und verwirrender, wenn man mal so und mal so ist. Zum Beispiel ist für den Hund ein verstörendes Erlebnis, wenn sein Mensch betrunken ist und die Kontrolle verloren hat. Er wird Ihnen auf lange Zeit mißtrauisch begegnen.

''Keine Beleidigung würde mich so hart treffen wie ein mißtrauischer Blick von einem meiner Hunde.''(James Gardner, Züchter)

Es ist noch schlimmer: Das Mißtrauen schädigt die Beziehung außerordentlich und sehr langfristig. Hunde können nicht sagen, okay, wir sind wieder gut, ich vergesse das einmal.

Zur Zuverlässigkeit gehört das Einhalten von Ritualen. Hunde erlernen ein Ritual unglaublich schnell, oft viel zu schnell. Vor allem, wenn sie es gut finden. Das ist für uns Menschen manchmal etwas lästig, auch, wegen der den Hunden eingebauten inneren Uhr.


3. Achten Sie auf seine Sprache und versuchen sie zu lernen.

Der Hund bellt. Sie brüllen: 'Stopp...Aus...Zurrrrück'. Der Hund denkt, sie bellen mit und fühlt sich bestätigt. Eigentlich weiß er es schon besser, aber jetzt gerade will er das sehen wie früher. Meine Erfahrung: Leises Ermahnen wirkt viel besser. In 90% der Fälle. (Er ist schließlich kein Roboter).

Ich sage Ihnen gleich, das mit der Sprache ist sehr schwer. Seine Sprache sind hauptsächlich Gesten. Sie sind so klein und fein, dass man sie als Mensch ohne lange Übung gar nicht erkennt.

Wenn er Sie zum Beispiel freundlich begrüßt, klappen seine Ohren ganz kurz und fast unmerklich nach hinten und wieder nach vorne.

Lernen sie, die Gesten zu verstehen. Sie werden einen völlig neuen Blick auf ihren Partner Hund bekommen. Und denken sie daran: Hunde sind von Natur aus darauf programmiert, auch beim Menschen die feinsten Gesten zu interpretieren.

Übrigens: Hunde riechen wunderbar. Nach Waldboden, frischer Luft. Das merken Sie beim Kuscheln mit Ihrem Hund. Wenn er nicht gut riecht, sondern 'hundelt', ist das ein sicheres Zeichen von Streß und Unzufriedenheit mit seinem Leben.

Es gibt Jagdhunde und Hütehunde. Mehr eigentlich nicht. Kampfhunde sind eine Erfindung des Menschen, der den Hund auf solche Dinge konditioniert hat. Hütehunde unterscheiden sich von Jagdhunden durch zweierlei: Sie jagen, aber sie töten nicht, sondern treiben die Opfer unverletzt zusammmen. Und sie sind genetisch besser auf Teamwork vorbereitet. Sie interpretieren das Verhalten des Teams viel differenzierter. Das macht es dem Menschen deutlich leichter, mit ihnen umzugehen.


Zum Schluß noch ein Hinweise bei der Begegnung mit fremden Hunden. Manche Hunde mögen Menschen generell gerne. Das ist manchmal lästig, aber nicht gefährlich. Schlimm ist es nur dann, wenn sie die körperliche Nähe und Berührung hassen. Das ist aber dann mehr Ihr Problem, über das sie nachdenken sollten. Andere Hunde wollen keinen Kontakt zu Fremden. Das ist grundsätzlich besser, weil natürlicher. Bellt er Sie wütend an, sind Sie einfach zu nahe. Nicht den Hund ansehen und dann die Distanz vergrößern. Hilft in 95% aller Fälle. Rennt er Ihnen nach und versucht sie zu attackieren, bleiben Sie stehen und reden mit ihm ruhig. Das hilft in den restlichen 4% der Fälle. Beim seltenen Rest handelt es sich um Hunde, die keinesfalls unerzogen sind. Sie sind mit Druck und Gewalt falsch erzogen. Da wünsche ich mir immer, es gäbe eine Instanz, die die Hundehaltung untersagt. Nicht realisierbar.

Wenn der Hund bei einem Fremdem wegschaut, weggeht, die Rute aufgerichtet ist und die Haare gesträubt oder die Rute und die Ohren herunterhängen, dann will er mit Ihnen nichts zu tun haben. Respektieren sie das einfach. Aber bedenken sie auch den weisen Spruch von Woodrow Wilson:

''Wenn ein Hund nicht auf Sie zulaufen mag, nachdem er Ihnen ins Gesicht geblickt hat, sollten Sie nach Hause gehen und Ihr Gewissen überprüfen.''


Ein Hund, der ohne Leine mit Ihnen geht, niemand belästigt und 'sein Hundeding' macht, ist der beste Gefährte, den man sich vorstellen kann. Ihn so zu erziehen, ist die Meisterleistung. Sie kommt nur selten von einer Hundeschule, erfordert aber viel Geduld und Liebe.

Das ist mein Pyrenäenschäferhund Alex. Ich hoffe, er ist ein glücklicher Hund. Verstehen kann ich ihn auch nach vielen Jahren nur sehr bruchstückhaft. Wie gerne wüsste ich, was und wie er denkt.