Ein 'A' schreiben

Das ist ein schönes A. Hat der Computer geschrieben. Wie er das macht? Wenn Sie den Beitrag über die Computerbegriffe gelesen haben, wissen Sie, dass Text als ASCII-Code gespeichert wird und Bilder in Form von Bildpunkten mit Farbwerten für Rot, Grün und Blau. '01 000 001' ist der ASCII - Coder für 'A', '00000000, 00000000, 00000000' der Farbcode für 'schwarz.' Das zur Vorbereitung.

Sie drücken die Taste 'A' auf der Tastatur. Was passiert im Inneren? Die Elektronik der Tastatur 'sendet' das A zum Speichern. Damit steht an einem Speicherplatz eben '01 000 001'.

Jetzt will man das Zeichen auch noch sehen. Das ist schon schwieriger. Viel schwieriger. Nehmen wir erst einmal den Bildschirm. Für die Zeichen gibt es im Computer eine Menge von verschiedenen Bildern, fonts genannt. Das ist der Schrifttyp. Dieser hier heißt zum Beispiel Georgia. Sie kennen das von WORD oder Ähnlichem. Da stellt man auch ein, ob es fett oder normal oder kursiv sein soll und vor allem auch wie groß. Das 'groß' ist ein Problem, weil man das recht beliebig einstellen kann. Was macht der Computer (hier ist es der Grafikprozessor), wenn die Schrift sehr groß werden soll? Er muss ausrechnen, wie die einzelne Punkte (Pixels) aussehen müssen. Außerdem muss er bei schrägen Linien auch noch 'glätten', sonst sieht man die Stufen der Pixel (das Bild wäre 'pixelig', also nicht gut). Dass das ein Menge intelligenter Rechenarbeit erfordert, dürfte ziemlich klar sein.

Wenn das A auf dem Drucker ausgegeben werden soll, muss diese Rechenarbeit auch erst gemacht werden. Der Drucker muss dann damit fertig werden. Was so ein moderner Tintenstrahldrucker in kürzester Zeit und mit welcher Präzision leistet, können Sie sich anhand des nächsten Bildes vorstellen.

Das alles hat sich der Mensch ausgedacht. Für ihn ist das Schreiben eines 'A' eine Kleinigkeit. Stift und Papier reichen.

Oder ist es gar nicht so einfach? Schließlich haben wir es ja einmal mühevoll gelernt.

Es ist eine lange, und je genauer man hinschaut, eine immer komplexere Geschichte, die einen nur noch staunen lässt.

Die Wölfe verständigen sich mit Lauten, vielfältiger als man früher dachte. Man muss annehmen, dass unsere Vorfahren es recht ähnlich machten. 'Huhu' hieß vielleicht 'Achtung. Da kommt ein Säbelzahntiger, besser abhauen'. Oder 'happi happi' bedeutete, da wäre eine Antilope zum Jagen.

Der erste große Schritt, der den Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet: Er hat ein Bild der Beute an die Wand geritzt. Das diente zwei Zwecken. Es soll den Kumpels mitteilen, wo es was gibt und außerdem zeigte es anderen die außerordentlichen Fähigkeiten, die man erworben hat.

Der zweite Schritt: Die Zeichen wurden 'standardisiert' und immer mehr vereinfacht. Irgendwann waren sie Allgemeingut einer Gruppe (später eines ganzen Volkes).

Der dritte Schritt, auch der ein ungeheuerer Fotschritt: Man hat den Klang der Begriffe verallgemeinert und damit neue Begriffe (Worte) erzeugt, die man 'schriftlich' übermitteln konnte. Im Fachjargon nennt man das den Übergang vom Piktogramm (Bild) zu einem Phonogramm (Laut, Silbe).

Heute noch ist das in der chinesischen oder japanischen Schrift gültig. Ein Zeichen kann eine Sache bedeuten oder auch eine Silbe. Für uns ist das schwer zu lernen, weil wir auch noch den vierten Schritt gemacht haben: Wir haben ordentlich eine Reihe von Konsonanten und Vokalen extrahiert, die wir mit unserem Sprachwerkzeug zu Tönen umformen können. Wer englisch gelernt hat, weiß, dass das von Volk zu Volk unterschiedlich sein kann. Das englische 'th' gibt es bei uns nicht zum Beipiel.

So hat sich die heutige Sprache entwickelt mit ihren Höhepunkten bei Shakespeare oder Goethe. Wie es damit weiter geht, steht in den Sternen. Aber entwickeln wird sie sich, unaufhaltsam. So ist unser Gehirn nun mal.

Jetzt ist alles klar, oder? Nein, noch lange nicht.

Gehen wir zurück zum 'A'. Erst einmal ist es ein Geräusch, der unser Ohr in etwa so trifft:

Unser Gehirn macht etwas Außerordentliches. Es ordnet diesem Geräusch den richtigen Buchstaben zu. Es kann dies auch, wenn es von verschiedenen Quellen kommt. Von einem tiefen Bass, von einer Kinderstimme, von einer heiseren Stimme und und und. Wie kann das gehen? Das Geräusch kann doch recht verschieden ausfallen?

Es geht mit einer ausgesprochen geheimnisvollen Fähigkeit unseres Gehirns, ohne die Sprache nicht machbar ist. Es nennt sich Abstraktion. Wir fassen, ohne darüber nachzudenken, Erscheinungen zusammen und bilden einen Oberbegriff. Die Eigenschaften dieser gemeinsamen Objekte erfassen wir intuitiv. Erst im Nachhinein könnte man mit komplizierten sprachlichen Umwegen die Kriterien exakt definieren. Man würde aber bald merken, dass das gar nicht einfach ist und es vollständig zu machen, ist fast unmöglich. Unser Gehirn braucht das aber gar nicht. Wir 'wissen von selbst' nach einigen Jahren der Erfahrung, was ein 'Pferd' oder ein 'Hund' ist.

Ist ihnen dabei klar, dass es das, was dieser Begriff aussagt, gar nicht gibt in der realen Welt? Es gibt kein 'Auto'. Aber es gibt Objekte in dieser Schublade Auto, nämlich ganz bestimmte 'Autos'. Die Fachleute sagen das genauer: es gibt 'Instanzen' des Begriffs 'Auto'.

Es gibt also auch kein 'A'. Sondern nur 'Instanzen' von 'A'. Ein von einem Menschen ausgesprochenes 'A' oder ein geschriebenes 'A' auf einem Blatt Papier. Sogar mit Fühlen kann man ein 'A' im Gehirn erzeugen.


Noch mehr: Es gibt sogar den Gedanken 'A'. Der Mensch kann sich ausdenken: 'Ich will jetzt ein A schreiben', ohne ein 'A' zu sehen oder zu hören. Und das Gehirn sendet die richtigen Informationen an die Hand, damit es auch was wird. Wer das nicht ganz erstaunlich und rätselhaft findet, möge sich bei mir melden. Ich wüsste gerne die Lösung.